Die Zahlen sind beängstigend. Seit Dezember 2016 ist amazon Business auf dem Markt. Bereits jetzt werben über 45.000 Händler um die stetig wachsende Zahl von Kunden. Mehr als 100 Mio. Produkte können bestellt werden. Und das im B2B-Handel, dem nachgesagt wird, dass hier die Kunden persönlichen Kontakt und Beratung brauchen.
Die rund 5 Mio Artikel für das produzierende Gewerbe bilden inzwischen Warengruppen von Arbeitsschutz über Werkzeug bis zu Schleifmitteln und Klebstoffen ab. Alles für die Industrie und das Handwerk. Wer hier nicht fündig wird, der hat nicht richtig gesucht. Immer noch versuchen Hersteller ihren Großhändlern ein Mitmischen auf amazon Business zu verbieten, aber längst haben etliche Hersteller selber den Vertriebskanal entdeckt und bieten direkt an. Hauptsache die eigene Ware kommt auf dem vom Kunden gewünschten Weg zum Empfänger.
Kostenfrei ist die Lösung nicht. Es gibt die Basisversion mit Stückpreisen und die Pauschalvariante, die mit 39€ pro Monat bei großem Einkaufsvolumen einen sehr moderaten Preis verlangt. Das dürfte auf Dauer für amazon lukrativ sein.
Prozesskosten und Sammellieferung – noch kann der Fachhandel punkten
Der deutsche Industriekunde ist anspruchsvoll. Neben Genehmigungsprozessen und Kostenstelleninformationen sind Sammellieferungen und direkte Lieferung an den Bedarfsort gewünscht. Hierauf hat sich der deutsche Großhandel seit Jahrzehnten eingestellt. Die Fahrer kennen die Vorlieben der Kunden und bringen die Bestellungen auch an die letzte Bedarfsstelle. Monatsrechnungen mit Kostenstelleninformationen sind die Norm und wenn es vereinbart wurde, dann sammelt der Händler die bestellte Ware und liefert nur einmal pro Woche aus.
Die Kunden profitieren von möglichst wenigen Lieferungen mit insgesamt möglichst wenig Lieferanten. Hier werden Buchhaltung und Wareneingang / interne Logistik geschont. Das macht sich in den Prozesskosten bemerkbar.
Auch die persönliche Beratung ist in Deutschlang ausgeprägt. Viel Wissen bringen die Berater mit, die immer auf dem neusten Stand sind und für ihre Kunden die optimale Lösung aus dem riesigen Angebot der Hersteller zusammenstellen.
Billig und schnell schlägt Lieferantenbindung
Das alles steht auf dem Prüfstand. Amazon das längst erkannt. In München hat man sich schon lange mit dem Großhandel im B2B auseinandergesetzt und in vielen Gesprächen mit führenden Unternehmen der PVH-Branche ausgelotet wo die Akzeptanzgrenzen sind. Gleichzeitig zeigen Händler wie Engelbert-Strauß, dass die Kunden sich wandeln. Hier gibt es keine Beratung, aber einen tollen Online-Katalog, der zeitgemäß Arbeitsschutz präsentiert und die Kunden abholt wo sie im B2C-Bereich längst sind.
Die Business-Lösung von amazon kann Kostenstellenverwaltung und im kleinen Umfang auch Genehmigungsprozesse. Für die meisten Unternehmen ist das ausreichend. 5-stufig ist nicht die Regel und Komplexitätsreduktion schaffen viele kleinere Firmen, wenn sie es plötzlich müssen.
Wenn amazon jetzt noch einen Weg findet von vielen Paketen auf wenige zu kommen und zumindest für große Unternehmen eine Beratung anbieten zu können wird es für den Großhändler mit seiner oft noch regionalen Ausrichtung eng.
Amazon winkt mit Geld – wer läßt sich kaufen?
Kaufangebote hat es schon gegeben. Bei einigen großen Marktteilnehmern im PVH haben die Strategen von amazon gesessen und versucht zu kaufen, was ihnen bisher fehlt und sich auch nicht mal eben programmieren lässt. Bisher vergeblich. Doch die Konsolidierung im Markt schreitet voran. Wann werden die Geldsummen schwach machen und damit Lager / Logistik vor Ort und Berater auf die Seite von amazon ziehen?
Nur wer schnell und flexibel ist überlebt
Das Fazit bis heute ist ein Alarmzeichen für den mittelständischen Händler. Wer nicht jetzt seine Prozesse und auch sein Marketing auf die vielen flexiblen und immer weniger traditionell arbeitenden Kunden ausrichtet, der wird den Wettstreit um Kunden und Umsatz verlieren.